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Traumreise

Buch, Realisation und Regie: Lotte Llacht, Assistentin: Christiane Busmann
mit ca. 50 LaiendarstellerInnen und professionellen KünstlerInnen
Uraufführung: 27.6.1999 in Rahmen des Festivals der Regionen
Unterstützt von der Stadt Burghausen

  • Lotte Llacht, Hintergrund am Piano auf einer Wiese Eva Friedrich vor dem Panorama des Salzburger Lands
  • Staumauer als Bühne
  • bayerisches Schloß in Sizilien

Das Projekt

Manche Zeitgenossen behaupten, die bayrisch-österreichische Heimat sei restlos überfremdet, um zur Suche nach dem Exotischen und Fremden den nächsten Charterflug an eine entlegene Destination zu buchen. Die Traumreise von Lotte Llacht verzaubert und verwandelt scheinbar vertraute Landstriche und lädt ein, dieses Neuland einen ganzen Tag lang im Reisebus wieder zu entdecken.

In gemütlichem Tempo durchkreuzt der Bus die Landkreise Altötting und Traunstein sowie den Bezirk Braunau. An Bord kümmern sich speziell geschulte ReiseleiterInnen um die Mitfahrenden. In kurzen Abständen hält der Bus an zehn sehr verschiedenen Stationen, die noch nicht vom Fremdenverkehr entdeckt worden sind. Zeichnet sich der eine Platz durch seine Abgeschiedenheit aus, so besticht der nächste durch seine Schönheit. Andere Schauplätze wiederum haben eine lange und reiche geschichtliche Vergangenheit oder ein Übermaß an Häßlichkeit zu bieten. An den Schauplätzen wird die Reisegruppe von insgesamt rund 50 LaiendarstellerInnen und professionellen KünstlerInnen erwartet und zum Eintreten in fremde Welten gebeten.

So wurde das stillgelegte Bergwerk Trimmelkam auf morbide Art wieder lebendig. Durch den Gesang der alten Steiger und Hauer, des Arbeitslosen und einiger Musikalien. Ein verrottetes bayerisches Schloß wanderte nach Sizilien aus, schmückte sich mit endlosen Wäscheleinen, Liebeszaubern und vielen, vielen Kindern, die die Fahrgäste als Touristen feierten und sie beschenkten statt beklauten.

Figuren aus einem Gedicht bevölkern eine abgelegene Schloßruine, auf der sich die ZuschauerInnen mitten im Text selbst befinden. Am Ufer eines Sees erleben die Traumreisenden den Untergang einer Stadt. Ein Männerchor vor einem Bergwerk erinnert singend an die Zeit, als Arbeit noch reichlich und für alle vorhanden war. Nach einer Begegnung mit Goldwäschern, Minnesängern, Nikoläusen, echt urigen Bayern und Hochzeit haltenden AusländerInnen und einem exquisiten viergängigen Menü unter Kronleuchtern klingt der Tag mit einem Klavierkonzert in luftiger Höhe aus.

Bürmoos wurde zu Paris; kein Traumreisender, der nicht in der alten Laderampe den Pont Neuf erkannte.
Die Zuschauer waren immer mitten drin. Eine alltägliche Kiesgrube bevölkerte sich mit Indianern, Pferden, Gauchos. In der flirrenden Hitze findet ein Ritual statt: Trauer, Schmerz, Tod.

Presse

"Lotte Llacht verwandelte auf ihren Traumreisen die Heimat in Urlaubsländer.

Einer der schönsten Beiträge zum Festival der Regionen ist in Burghausen gestartet. Lotte Llacht zeigte bei ihren Traumreisen wie eine künstlerische Pfadfinderin mit Energie, Fantasie und dem Enthusiasmus dutzender Helfer neue Wege im Dickicht des heimatlichen Alltags aufspüren kann.

Sechs mal brach der Reisebus vom Bürgerhaus auf zur Traumreise, zum ‘Urlaub in einem Tag’, den Lotte Llacht vom Theaterhof Priessenthal für das Festival der Regionen gestaltet hat.

Lotte Llacht hat die Normalität mit ihren Träumen überzogen und Wirklichkeit werden lassen. Ein Hinterhof im Schloß von Wald an der Alz wird zu Palermo, mit sizilianischen Kindern und Eisverkäufern, mit Waschfrauen, die Arien schmettern. Die Kiesgrube wird zum Silbersee, die Bustouristen geraten in eine Indianerbestattung. Unvermittelt taucht eine Reisegruppe mit Nikoläusen auf dem Weg zum Sommerurlaub auf und beschimpft die Traumtouristen. Die sagenhaften Herren der materiellen Wünsche fragen: ‘Was wollt ihr wirklich?’

In Trimmelkam bei Riedersbach singt der Knappenchor, erklingt eine jiddische Weise von der Arbeitslosigkeit und Reiseleiterin Annelies vermittelt wie nebenbei die Geschichte des Bergbaus - unvergessbar vermittelte Heimatgeschichte. Kurz darauf verwandelt der Burghauser Christian Leidl den Kohleberg des Kraftwerks Riedersbach: Im lichten Weiß läßt er in einem Happening seine hellen Liebesgedichte vorm Kohlenschwarz erstrahlen.

‘Hier müßte man mal ...’, denken Fantasiebegabte manchmal. Lotte Llacht macht’s. Läßt den Winhöringer Chor im Alzkanal singen, unter der Kaiserbuche Eva Friedrich vor Alpenpanorama Schubert, Bartok und Schumann spielen, serviert das Mittagsmenü auf der Tittmoninger Burg und führt auf dem Höllerer See eine Wasseroper auf.

Das Unglaubliche wird möglich. Als der Bus eine inszenierte Panne hat, steigen die Mitreisenden um in die österreichische Lokalbahn. Was passiert: In einem normalen Samstag-Nachmittagszug mit nicht inszenierten Fahrgästen sagt der Schaffner mit österreichischem Nasal die Stationen an: New York, Mailand, Murmansk, Helsinki - Sage noch einer, die Kunst könne nicht die Wirklichkeit verändern."
(Burghauser Anzeiger)